GBS CIDP PNP
Deutsche Polyneuropathie Selbsthilfe e.V.
Landesverband Sachsen
Vom 03. – 06. November 2021 fand der 94. Kongress der DGN statt, wie auch 2020 in diesem Jahr als Online-Kongress. Die Verantwortlichen hatten diesen als „online plus“-Kongress organisiert, bei dem sich die Referentinnen und Referenten vor Ort in Berlin einfanden und in einem Studio ihre Vorträge und Meetings hielten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten dem Kongress sehr zahlreich an Ihren Rechnern.
Diese Form vermittelte den online Teilnehmenden einen Life-Charakter. Das große Interesse konnte man an der Teilnehmerzahl, die jeweils bei den einzelnen Sessions eingeblendet war, erkennen. Teilweise wurden bei einer Live-Übertragung mehr als 2000 Teilnehmer registriert.
Die Polyneuropathie (PNP) war in einigen Vorträgen Thema, sowohl als Haupt-Indikation als auch als Begleit-Indikation bei anderen neurologischen Erkrankungen.
Ich möchte von den drei Beiträgen berichten, welche die PNP als Haupt-Thema beinhaltet hatten. Da es sich um einen Fachkongress für Mediziner handelte, ist es selbstredend, dass die Inhalte hochwissenschaftlich und für den medizinischen Laien meist sehr schwer verständlich waren.
Dennoch versuche ich, Ihnen die für uns Patientinnen und Patienten wichtigsten Aspekte zu vermitteln.
Diese drei Vorträge wurden im Rahmen des Fortbildungsprogramms gehalten. Dieses Programm dient nicht nur der Fortbildung von jungen, meist noch in Ausbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte, sondern aller Neurologinnen und Neurologen, ob im klinischen oder im niedergelassenen Bereich tätig.
Nachfolgend 3 Präsentationen von:
Dr. med. Maike Dohrn
Prof. Dr. med. Helmar Lehmann
Prof. Dr. med. Claudia Sommer
Dr. Maike Dohrn, Ärztin an der Uniklinik der RWTH Aachen, ist derzeit Stipendiatin am John P. Hussman Institute for Human Genomics, Miami. Sie ist eine junge und sehr engagierte Ärztin, die sich mit großer Begeisterung wissenschaftlich mit der PNP beschäftigt. Sie stellte ihre Arbeit in Bezug auf die Polyneuropathie vor. Ihr Vortrag trägt den Titel „Chronische und langsam fortschreitende Polyneuropathien“.
In Ihrer Einführung berichtet sie, dass es weltweit 422 Mio. von Diabetes betroffene gibt. Davon erkranken 50% an PNP. Dabei muss man bedenken, dass nicht bei allen Menschen mit Diabetes mellitus, die an einer PNP erkrankt sind, die Ursache der Diabetes sein muss. Auch hier sind andere Ursachen möglich, z.B. CIDP (Chronisch inflammatorisch demyelinisierende Polyneuropathie).
Therapeutisch ist unbedingt eine stabile Zuckereinstellung erforderlich. Als symptomatische Therapie ist hier die Behandlung der neuropathischen Schmerzen sowie der Wundheilungsstörungen und der schmerzlosen Verletzungen erforderlich. Symptome bei der autonomen Neuropathie können Herzrhythmusstörungen, Herzfrequenzstarre, stumme Myokardinfarkte oder auch verspätetes Bemerken von Hypoglykämien (Unterzuckerung) sein.
Seit einem Jahr ist eine nicht-systemische hereditäre (erbliche) Neuropathie – SORD - bekannt. Es ist die erste erbliche Neuropathie, welche bald behandelbar sein könnte. Bei SORD findet man einen erhöhten Sorbitolspiegel. Derzeit wird weltweit eine Natural History Studie (sammeln von Informationen von Patienten, um Krankheiten besser zu verstehen) durchgeführt, die der Vorbereitung auf klinische Studien gilt.
Die Charcot Marie-Tooth-Neuropathie (CMT) ist die häufigste seltene Neuropathie. Hier besteht eine Neigung zu Druckparesen (Drucklähmung). Als erste Zeichen finden sich ein fehlender Achillessehnenreflex, Fußheberschwäche, verminderte Fuß- und Wadenmuskulatur (Storchenbeine) und Hohlfüße.
Eine weitere hereditäre PNP ist die Hereditäre Transthyretin Amyloidose (ATTRv). Sie ist rasch fortschreitend und betrifft multiple Organsysteme. Die Patientinnen und Patienten haben einen immensen Leidensdruck. Unbehandelt ist der Verlauf dramatisch. Daher ist ATTRV zwingend behandlungsbedürftig. Je früher der Verlauf gestoppt wird, desto höher ist langfristig die Lebensqualität. Ein Gen-Test des ATTRGens bringt hier Aufschluss.
Fazit von Frau Dr. M. Dohrn:
Zum Ende ihres Vortrages bietet Frau Dr. Dohrn an, dass, sollten die Ärzte SORD-Patienten identifizieren, sich gerne mit ihr (mdohrn@ukaachen.de) in Verbindung setzen. Sie bindet diese noch gerne in die Studie ein.
„Es bleibt spannend“ sagt Frau Dr. Dohrn, „Die chronischen Neuropathien sind ein Feld, in dem super, super viel passiert.“
Professor Helmar Lehmann ist Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Uniklinik Köln. Er ist uns als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des DPS e. V. bekannt. Sein Vortrag trug den Titel „Subakut / schmerzhafte Polyneuropathien“. Prof. Lehmann leitete seinen Vortrag mit der Bemerkung ein, dass die PNP sehr häufig sei, 20 – 30 % der über 70-Jährigen leide an einer PNP.
Wenn ein/e Patient/-in vorstellig wird, muss zunächst die Ursache geklärt werden, um dann auch behandelbare Ursachen therapieren zu können.
Zunächst wird in der Anamnese geklärt:
In der neurologischen Untersuchung werden geprüft:
Die Verteilung der Symptome spielen bei der Klärung der Ursache eine Rolle. Sie treten je nach Ursache auf:
Es wird in fünf klinische Muster der Verteilung der Symptome der Peripheren Polyneuropathie unterschieden:
Zeigt sich die PNP im Zeitverlauf in der Anamnese über viele Jahre progredient (fortschreitend), ist von einer vermutlich hereditären (erblichen) und nicht von einer toxischen PNP auszugehen. Bei einem subakuten (plötzlich auftretenden) und schnell fortschreitenden Beginn ist von einem Guillain Barrè Syndrom auszugehen. Bei einem subakuten Beginn und proximaler Beteiligung der Symptomatik geht man von einer CIPD aus.
Professor Claudia Sommer, Leitende Oberärztin der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg, gibt einen Überblick über „Sensibel-ataktischen Polyneuropathien“. Prof. C. Sommer ist ebenfalls Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des DPS e. V.
Zu Beginn ihres Vortrages stellte sie den Fall eines 60-jährigen Patienten vor, Diese klagte über zunehmende Gangunsicherheit, besonders im Dunkeln. Es kam wiederholt zu Stürzen. Bei der Untersuchung fanden sich keine Paresen (Ausfall motorischer Funktionen von Muskeln), aber Sensibilitätsstörungen. Mit geschlossenen Augen ist dem Patienten der Seiltänzergang nicht möglich.
Er hat eine milde sockenförmige Hypästhesie (Taubheitsgefühl). Temperatur und Schmerzempfinden war normal.
Die elektrophysiologische Untersuchung (elektrophysiologischen Messungen geben Auskunft über Schädigungen der peripheren Nerven.) zeigte normale Armnerven, aber eine hochpathologisch bis ausgefallene sensible Neurographie (Nervenmessung) Die Differentialdiagnosen der klassischen sensiblen Neuronopathie (auch Ganglionopathie, sensible ataktische Polyneuropathie oder in speziellen Fällen Danny-Brown-Syndrom genannt) sind:
Durch Cisplatin verursachte toxische Neuropathien treten nach einer kumulativen Dosis von 350 µg/m² auf, bei 92 % der Patientinnen und Patienten mit neurotoxischen Symptomen wie Kribbeln und Taubheit.
Eine weitere toxische Ursache kann Vitamin B6 sein. Es gibt dramatische Fallbeispiele in der Literatur, dass bei Hochdosiseinnahme von B6 eine sehr schwere, auch sensomotorische Neuropathie aufgetreten ist. Prof. C. Sommer erläutert anhand einer Grafik den Wirkmechanismus des B6. Es sollten keine B6-Präparate eingenommen werden, wenn nicht ein Defizit besteht. Eine B6-Überdosierung von ˃2 g/ Tag, aber auch bei niedrigen Dosen von 50 mg/Tag über eine längere Zeit kann eine sensible Neuropathie verursachen.
Eine immunvermittelte sensible Neuronopathie (Krankhafte Veränderungen, bei denen das Nervensystem und das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen werden.) kann z.B. das Symptom eines systemischen Lupus erythematodes sein.
Ebenfalls kann eine Autoimmune Hepatitis mit einer sensiblen Neuronopathie vergesellschaftet sein.
In der Ausschlussdiagnostik werden andere virale, genetische oder toxische Ursachen abgeklärt. Zur definitiven Feststellung werden genetische Untersuchungen und auch eine Leberbiopsie durchgeführt.
Eine weitere immunvermittelte Ursache ist die Zoeliakie. In einer Fallserie von 53 Patienten hatten 17 eine Gluten-Überempfindlichkeit, 7 davon mit einer Enteropathie (nichtentzündliche Erkrankung der Magen-Darm-Schleimhaut). Bei 11 Patienten, die eine glutenfreie Diät einhielten, stabilisierte sich die PNP. Auch die Small Fiber Polyneuropathie (SFN) ist bei der Zoeliakie beschrieben. Also sollte bei SFN oder unklarer PNP auch an eine Zoeliakie gedacht werden. Hierzu gibt es gute Antikörpertests.
Die sensible immunvermittelte PNP kann auch Symptom des SjögrenSyndroms sein. Hierbei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung mit Mundtrockenheit, Augentrockenheit, Gelenkschmerzen und Muskelschmerzen. Frauen sind häufiger vom Sjögren-Syndrom betroffen. Die Therapie ist hierbei eine Immuntherapie mit Immunsuppressiva.
Bei den infektiösen Neuronopathien kann sie bei HIV - Folge der HIVInfektion sein, aber auch Folge der toxischen Medikation. Sehr seltene Ursachen sind EBV (Eppstein-Barr-Virus), VZV (Varizella Zoster Virus) und HTLV-1 (Humane T-lymphotrope Virus 1 – neurologisch-degenerative. Erkrankung des Rückenmarks).
Die paraneoplastisch sensible Neuronopathie und maligne (bösartige) Tumore (Paraneoplastische Neuronopathie) findet man beim kleinzelligen Bronchial-Ca, Mamma-Ca, Ovarial-Ca, Morbus Hodgkin, Prostata-Ca, und Blasen-Ca.
Das Denny-Brown-Syndrom wurde von Denny Brown im Jahr 1948 beschrieben. In seiner Beschreibung handelte es sich um zwei Patienten mit Bronchial-Ca, die ein Taubheitsgefühl an Händen und Füßen und im Gesicht hatten, sowie Verlust der Propriozeption (Eigenwahrnehmung) der Zunge.
Die subakute sensible Neuropathie ist das häufigste paraneoplastische Syndrom, bei 70-80 % das kleinzellige Bronchial-CA. Diagnostisch werden CT, MRT und Antikörperbestimmung angewandt. Die Therapie besteht aus einer Immuntherapie kombiniert mit der Tumor-Therapie.
Zum Ende ihres Vortrages erwähnte Prof. C. Sommer noch die genetisch sensiblen Neuropathien, die Dr. M. Dohrn in ihrem Vortrag beschrieben hat.
Wenn all dies nicht in Frage kommt, wird es wohl eine idiopathische Neuropathie sein, so das Schlusswort von Prof. Sommer. Die Deutsche Hirnstiftung stellte sich im Rahmen des DGN-Kongresses vor.
Ganz besonders möchte ich nun die seit gut einem Jahr bestehende Deutsche Hirnstiftung erwähnen.
Die Deutsche Hirnstiftung ist ein gemeinnütziger Verein und wurde unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Neurologie gegründet. Der 1. Präsident ist Professor Frank Erbguth aus Nürnberg, den ich seit vielen Jahren kenne und schätze.
Im Leitbild, das sich die Deutsche Hirnstiftung gegeben hat, steht u.A.:
„Die Deutsche Hirnstiftung beschäftigt sich mit dem gesamten Spektrum der neurologischen Krankheiten – von Kopfschmerzen, Schwindel oder Gedächtnisstörungen bis hin zu Schlaganfall, Multiple Sklerose oder Parkinson.
Wir setzen uns für das Wohlergehen der Neurologie-Patienten ein und unterstützen Praxen, Kliniken und die Wissenschaft bei der Behandlung und Erforschung neurologischer Krankheiten.
Dazu informieren wir Betroffene und ihre Angehörigen über neurologische Erkrankungen und deren Behandlung.“
Als Patienten oder Angehörige haben Sie hier die Möglichkeit Ihre Fragen zu neurologischen Krankheitsbildern bitte an die Expertinnen und Experten zu richten, Ab dem Jahr 2022 kann man zudem Hilfe im Bereich Sozialfragen erhalten. Alles, was die Deutsche Hirnstiftung ausmacht hier zu erwähnen würde den Rahmen sprengen. Schauen Sie einfach mal auf die Seite hirnstiftung.org
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wir sind mit der jetzigen Ausgabe etwas spät dran, weil andere wichtige Aufgaben einfach Vorrang hatten und wir personell nicht gerade wie eine AG aufgestellt sind.
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